Aus
Im Jahre 1899 ging beim Frühstück im Lübecker Ratskeller die Liste herum, um 100 000 Mark zu sammeln. Der Yacht des Engländer Mr. Quentin sollte ein neu zu erbauendes deutsches Boot entgegengesetzt werden.
Der Kaiser hatte sich mit 10000 Mark an die Spitze gesetzt. Daran schloß sich eine Zeichnung von 5000 Mark und einige zu 1000 Mark, die Gesamtsumme war 18000 Mark, die Zeit der großen Boote war damals noch nicht gekommen, das Projekt war gescheitert. Aber Mr. Quentin ließ nicht nach, der Wettkampf konnte ja auch mit kleineren Booten stattfinden, dann könnten sich auch andere Nationen dabei beteiligen. Es wurde ein Ausschuß gebildet, bestehend aus Quentin, Burmester (Onkel Adolph) und Busley, und das Resultat war die Geburt der
Sonderklasse,
welche im Jahre 1900 zum ersten Male ins Programm der Kieler Woche aufgenommen wurde und dann viele Jahre neben den großen Schoonern in hohem Maße eine Rolle im deutschen Segelsport gespielt hat. Ich brauche wohl hier kaum darauf hinzuweisen, wie unser Verein sogleich im ersten Jahre, und dann lange Zeit in jedem Jahr ein neues Boot für diesen Wettstreit gebaut und damit unter Otto Protzens glänzender Führung die größten Erfolge erzielt und zahllose Preise, darunter viele Male den Hauptpreis, den Samoa-Pokal, erobert hat.
(Anm: Beim Forschen im Yachtarchiv habe ich neun Sonderklassen von Arons gefunden. In der Zeichnung oben ist der Decksplan von zwei Lunulas - ex Tilly VII von 1905 und ex Molch von 1912- zusammen mit einer 6m-Yacht wiedergegeben. Die Sonderklassen wurden immer länger und breiter, duften aber nicht teurer werden. Von Hacht wollte mit dieser Zeichnung verdeutlichen, dass schon allein der durch die Vergrösserungen bedingte erhöhte Materialverbrauch eine Heraufsetzung des Preislimits erfordert. (Der Molch segelt übrigens heute noch als Hedy (S69.) auf dem Attersee.)
Mr. Quentin ist im Jahre 1900 und den beiden folgenden Jahren mit einem englischen Sonderklassenboot nach Kiel gekommen, aber ohne einen Erfolg zu erzielen. Er ist dann fortgeblieben, und auch später hat sich kein englisches Boot mehr in der Sonderklasse gemeldet. Aber sonst war die ausländische Beteiligung sehr erheblich; dänische, schwedische, holländische und belgische Wettbewerber erschienen, namentlich aber fanden sich schon in den ersten Jahren zwei französische Sonderboote ein, die für die Kieler Woche gebaut waren und eine recht rühmliche Rolle spielten. Um diese Besuche nicht unerwidert zu lassen, war ich aufgefordert worden, an einer Regattawoche teilzunehmen, die im Jahre 1905 in Le Havre veranstaltet wurde und in ziemlich großem Maße aufgezogen war. Außer Segelregatten fanden gleichzeitig Motorboot- und Fischerregatten statt, so daß die Veranstaltung in Frankreich sehr beachtet wurde. Sehr schmeichelhaft war, daß die deutsche Sonderklasse als eigene Klasse mit ausgeschrieben war. Eine große Viktoria aus Bronze als Extrapreis, die ich gewann, trägt die eigentümliche Inschrift: "Coupe de la Sonderklasse". Ich fand mich 8 Tage vor Beginn der Regatten in Havre ein, um das Segelterrain vor dem Hafen im Canal la Manche kennen zu lernen. Diese Vorsicht hat sich dann sehr bewährt. Außer durch Ebbe und Flut entstehen durch das Ausströmen der Seine sehr starke Strömungen, mit welchen mich bekannt zu machen ich unter Mitnahme eines dortigen Lotsen in den Probefahrten versuchte. Dies ist mir von großem Nutzen gewesen, man mußte vielfach, wenn man eine Wendemarke anlag, einen ganz anderen Kurs segeln, da man sonst ganz weit abgetrieben wurde. So gelang es mir, in allen Rennen die ersten Preise und die Extrapreise zu bekommen, bis auf eine Regatta, in welcher beim Auswechseln ein Vorsegel zu Wasser ging, was viel kostbare Zeit kostete. Die Preise bestanden zum Teil in nicht unerheblichen Geldbeträgen. Dieses Bargeld habe ich benutzt, zwei schöne Kannen anzuschaffen, die ich als Punktpreis für die Sonderklasse in der Berliner Herbstwoche des Jahres stiftete. Otto Protzen hat diesen Preis für unseren Verein gewonnen, und die Kannen befinden sich in unserem Silberschatz. Nach meiner Erinnerung war dies der erste Punktpreis, der in Berlin ausgeschrieben worden ist.
Meine persönliche Aufnahme in Havre war eine ausgezeichnete, ich besitze noch Bilder, auf welchen ich mit meinem Konkurrenten in engster Verbrüderung photographiert bin, auf einem in Trouville veranstalteten Festessen wurde ich besonders gefeiert. Leider hat diese sportliche Annäherung nicht dazu geführt, allgemein das gegenseitige Verhältnis zu bessern. Außer den französischen Sonderbooten hatten sich auch spanische Konkurrenten mehrfach zu der Kieler Woche eingefunden. Wieder erging an mich die Aufforderung, mit der "Lunula" einen Gegenbesuch zu den Regatten in San Sebastian zu machen, welcher Aufforderung ich mit Freude nachkam. Ein spanisches Kriegsschiff wurde zu der Kieler Woche erwartet, welches mein Boot nach Spanien mitnehmen sollte. Alles verlief auch vorschriftsmäßig, "Lunula" war bereits mit meinem alten Charly auf dem Kriegsschiff eingeschifft, als dieses plötzlich Order bekam, noch in Petersburg einen Besuch zu machen. Charly und Boot wurden wieder an Land gesetzt, und da es zu spät war, noch mit anderer Gelegenheit rechtzeitig nach Spanien zu gelangen, so bin ich um dieses Erlebnis gekommen. Ich habe dann im nächsten Jahr anläßlich einer Spanienreise, allerdings im Frühjahr, ehe die Segelsaison eröffnet war, San Sebastian besucht und die mir von Kiel bekannten Herren vom Königl. Spanischen Yachtclub begrüßt. Ich hatte Gelegenheit, die herrliche Lage und Umgebung von San Sebastian kennen zu lernen und bedauerte um so mehr, dort nicht habe segeln zu können.
So ging es in jedem Jahr zur Kieler Woche und nach Travemünde, ich habe die Kieler Woche vor dem Kriege 26 mal, nach dem Kriege noch dreimal mitgemacht. Gewöhnlich wurden unsere Boote per Bahn von Kiel nach Travemünde befördert, einmal bin ich über See im Schlepp eines Motorbootes, zweimal unter Segel durch den Fehmarn-Sund nach Travemünde gefahren, das letztemal Im Jahre 1923, also in meinem 74. Lebensjahr, und zwar unter erschwerten Umständen, da ein Mitsegler im letzten Augenblick absagte und ich nur mit einem jungen, unerfahrenen Bootsmann abends 10 Uhr auf die Reise ging. Nach Passieren des Fehmarn-Sundes war die ganze Strecke aufzukreuzen, so daß ich erst nachmittags 4 Uhr nach Durch-wettern eines ziemlich schweren Gewitters in Travemünde einlief.Im Jahre 1926 habe ich mein letztes Sonderklassenboot verkauft und bin noch einmal Jollensegler geworden. Ich erwarb die vordem als "Föhn IV" bekannte Nationale Jolle und habe auf dieser noch viele frohe Fahrten auf Wannsee und Havel gemacht. Auf der 1927 veranstalteten großen Hindenburg-Regatta konnte ich den fünften Preis der Klasse bei 18 Bewerbern nach Hause bringen, in der Pokal-Regatta unseres Vereins von 1928 bin ich nur um 50 Sekunden von dem Gewinner des Wanderpreises für die Schwertboote geschlagen worden, der mich auf dem letzten Kurse überholte, nachdem ich bis dahin geführt hatte. Nach dieser rühmlichen Erwähnung der "Lunetta" darf ich nicht verschweigen, daß ich im Jahre 1928 mit ihr gekentert bin. Bei der Einfahrt vom Jungfernsee in die Sakrower Enge überraschte mich eine achterliche Bö, für eine Jolle die übelste Situation. Nachdem ich etwa 10 Minuten auf dem gekenterten Boot gesessen hatte, nahm ein von Wannsee kommender Sterndampfer mich und meine Mitsegler auf und setzte uns an der Glienicker Brücke ab. Von dort fuhr ich, natürlich ohne einen trockenen Faden auf dem Leibe zu haben, mit dem Omnibus nach Wannsee. Obgleich es an dem Tage recht kühl und unfreundlich war, bin ich ohne Erkältung davongekommen. Das Segeln ist doch ein recht gesundes Vergnügen.